Autor Thema:  Zinnfiguren selber gießen - nur welche Legierung?  (Gelesen 8237 mal)

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Offline hannesstrohkopp

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Zinnfiguren selber gießen - nur welche Legierung?
« am: 05. April 2016, 09:41:26 »
Hallo zusammen,

neben der Plastik-Modellbau-Enterprise wende ich mich mal mit einer ganz anderen Thematik an das versammelte Fachwissen:

Ich würde gerne einige Zinnfiguren von der Größe ~30mm gießen (sowas in der Richtung). Ich habe mich auch schon eingelesen und entsprechendes Werkzeug und Abformmaterial organisiert.

Die Frage, die sich mir momentan hauptsächlich stellt, ist: Welche Zinn-Legierung nimmt man am besten?

Zusätze wie Antimon und Wismut sollen für die Fließfähigkeit (gerade für feine Figuren) förderlich sein, Blei gibt dem ganzen wohl eine gewisse Biegsamkeit. Der Laden weissmetall.de bietet verschiedene Zinnlegierungen an, allerdings kann ich nicht so wirklich eine Aussage über die Eignung für meinen Anwendungsbereich finden. Bei Ebay findet man sogenanntes "Miniaturenzinn", weiter unten ist auch eine Legierung gegeben. Ich finde aber ehrlichgesagt keine Anhaltspunkte oder Erfahrungswerte, welche Legierungen sinnvoll sind.

Hat jemand von Euch da vielleicht ein bisschen Erfahrung?

Vielen Dank,
Alex
« Letzte Änderung: 05. April 2016, 09:47:19 von Sheriff »

Offline Kleinalrik

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Re:Zinnfiguren selber gießen - nur welche Legierung?
« Antwort #1 am: 05. April 2016, 11:42:14 »
Ich habe die Lötbarren aus der Kfz-Werkstatt bekommen. Seinerzeit mit 40% Blei versetzt. Die Gießergebnisse waren sehr gut.
Der Preis war damals sehr günstig.

Ich glaube, verbleites Zinn kriegt man heute nicht mehr. Schade, denn Reinzinn ist deutlich teurer.

Auch mit Reinzinn kannst du gießen.

Ich wüsste jetzt auch keine besonderen Legierungen für den Zinnguss.
"Ey, das Dingen iss massiv, oder?" Kleinalrik - Iron Modeller 2014, Darmstadt

Offline brushguy

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Re:Zinnfiguren selber gießen - nur welche Legierung?
« Antwort #2 am: 05. April 2016, 18:36:25 »
doppelt, kann gelöscht werden. sorry.
...if it has a surface, paint it!

Offline hannesstrohkopp

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Re:Zinnfiguren selber gießen - nur welche Legierung?
« Antwort #3 am: 06. April 2016, 09:01:34 »
Okay, vielen Dank, allezusammen!

Ich habe mich für die "Zinnfiguren-Legierung" der von ZbV3000Germany vorgeschlagenen Berliner Zinnfiguren entschieden. Die werden schon wissen, was sie da zusammenlegieren... ;)

Viele Grüße,
Alex

Offline Sheriff

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Re:Zinnfiguren selber gießen - nur welche Legierung?
« Antwort #4 am: 04. Juni 2016, 15:13:26 »
Hast du in der Zwischenzeit ein paar Erfahrungen sammeln können, die du mit uns teilen kannst?
Gruß, René 

Offline hannesstrohkopp

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Re:Zinnfiguren selber gießen - nur welche Legierung?
« Antwort #5 am: 20. Juni 2016, 11:54:23 »
Oh, und wie! Ehrlich gesagt hatte ich diesen Thread völlig verschwitzt!

Das Erstellen der Formen selbst war relativ simpel:
- Lego-Kamin bauen (zur Grundfläche gibt es eine Daumenregel aus dem Internet: Die Form sollte überall >5mm Wandstärke haben)
- Knete auf dem Grund auslegen
- Figur (genau bis zur Hälfte) in die Knete drücken
- Alles leicht(!) mit Trenn-Vaseline einpinseln (sehr Vorsichtig pinseln. Wir haben auf glatten Teilen der Figur (beispielsweise einem Schild) tatsächlich erkennbare Pinselstriche der zu stark aufgetragenen Vaseline)
- kleine Krater mit der Pinselrückseite in die Knetedrücken (das werden später die Nöppel für das exakte Ausrichten der beiden Formhälften)
- Kautschuk anmischen und von einer Ecke aus langsam einfließen lassen, Figur so ca. einen Lego-Block tief bedecken
- Aushärten lassen, ausschalen (Figur am besten direkt im Kautschuk belassen)
- Form umdrehen und in den Kamin legen, mit Vaseline ausstreichen, wieder über eine Ecke vollgießen
- Aushärten lassen, ausschalen, Figur raus
- Einschneiden eines Gußkamins (am Besten auf der Fuß-Seite der Figur, damit diese "nach unten hin" voll ausgefüllt wird)
- Einschneiden eventueller zusätzlicher Kamine. Das war im Nachhinein bei uns nicht erforderlich, kann aber bei komplizierten Geometrien sinnvoll sein. Hier hat sich auch gezeigt: Es wäre viel einfacher gewesen, gleich mit der Figur ein paar Zahnstocher einzugießen, als nachher umständlich Kamine schneiden zu müssen...

Für die Figur selbst bin ich im Endeffekt einer Legierung von 60 Zinn / 40 Blei / Rest Antimon hängen geblieben. Der Zinn machts stabil, der Blei machts duktil und das Antimon ist ein abgefahrenes Zeug: Antimon ist ein Metall, welches sich, im Gegensatz zu so ziemlich allen anderen, beim Abkühlen ausdehnt. Der geringe Zusatz davon ermöglicht also schon fast ein "Auspressen" der Gußform. In Verbindung mit einer durch Talkum leicht(!) gepuderten Form lassen sich wirklich die allerfeinsten Details abformen.

Das Ausgießen war spannend:
- Formhälften anhand der gegossenen Nöppel genau aufeinanderbringen
- leichtes Abspannen mit Brettchen und Schraubzwingen, damit die Form zwar zusammenhält und dicht ist, aber nicht eingedrückt wird
- Erhitzen der zuvor abgewogenen Zinnmenge (+50% Sicherheit) in einem Gußlöffel über einem Campingkocher.
- Schnell und stetig gießen
- Bierchen trinken (7min)

Und dann war es vollbracht. Ehrlichgesagt war das ein ganz schön spannender Moment. Da das unser erstes Mal war, hatte wir erwartet, einen unförmigen Klumpen Zinn aus der Form zu pellen. Als sich dann die beiden Formhälften aber trennten wurde der Blick auf eine wirklich wunderbar perfekte abgeformte Figur frei: Aufschrei und Öffnung eines zweiten Bieres. Wir haben dann noch sechs Kopien gegossen und den Sieg gefeiert. :)


Der Vollständigkeit halber sei natürlich gesagt, dass wir sämtliche Abgüsse nach Abschluss der Arbeiten wieder eingeschmolzen haben. Es ging uns um das Erlernen der Technik, nicht um das Dublizieren von urheberrechtlich geschützen Werken.


Vielen Dank nochmal für die tolle Hilfe hier!


Viele Grüße,
Alex
« Letzte Änderung: 10. Februar 2017, 13:07:31 von hannesstrohkopp »

Offline Sheriff

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Re:Zinnfiguren selber gießen - nur welche Legierung?
« Antwort #6 am: 20. Juni 2016, 13:11:01 »
Danke dir für den wirklich nachvollziehbaren Bericht.  :thumbup:
Super, dass du auch erwähnt hast wofür das Antimon gut ist.
Dann mal viel Spaß mit der neuen Fähigkeit  ;)
Gruß, René 

Offline Kleinalrik

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Re:Zinnfiguren selber gießen - nur welche Legierung?
« Antwort #7 am: 20. Juni 2016, 14:46:04 »
Auch von mir Gratulation zum Erfolg. Du hast das aber auch schulbuchmäßig durchexerziert.

Ich bin sogar ein wenig überrascht, dass gleich der erste Abguss gut war. Aus meiner Erfahrung geht der erst Abguss immer schief, da das Zinn in der kalten Form zu schnell erstarrt. Erst ab dem zweiten oder dritten Abguss in die dann bereits angewärmte Form erhält man üblicherweise gute Ergebnisse.

P.S.: 60/40 ist die klassische - billige - Kfz-Werkstatt-Mischung.
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Offline The Doctor

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Re:Zinnfiguren selber gießen - nur welche Legierung?
« Antwort #8 am: 20. Juni 2016, 21:55:59 »

Ich bin sogar ein wenig überrascht, dass gleich der erste Abguss gut war. Aus meiner Erfahrung geht der erst Abguss immer schief, da das Zinn in der kalten Form zu schnell erstarrt. Erst ab dem zweiten oder dritten Abguss in die dann bereits angewärmte Form erhält man üblicherweise gute Ergebnisse.


..weswegen man auch Kautschukformen vorher am besten erwärmt...

Der Schatten (hat in seiner Jugend viel Zinn gegossen...)

Offline hannesstrohkopp

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Re:Zinnfiguren selber gießen - nur welche Legierung?
« Antwort #9 am: 21. Juni 2016, 08:33:14 »
Tja, dann hatten wir vielleicht tatsächlich einfach Glück. Was mir noch einfällt: Wir haben die Legierung bei genau 400°C gegossen - ist das vielleicht etwas mehr als "normal" und somit ausreichend, um das Metall lange genug flüssig zu halten?

Offline Kleinalrik

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Re:Zinnfiguren selber gießen - nur welche Legierung?
« Antwort #10 am: 21. Juni 2016, 08:43:26 »
Kann man sagen. 400°C ist schon ziemlich heiß. Allerdings gibt es innerhalb großer Grenzen kein "zu heiß" für die Blei-Zinn-Legierung.

Die ersten zwei Angüsse sind bei mir nur zum Aufwärmen der Form. Ist schneller und einfacher, als sie in einem Ofen oder über der Flamme anzuwärmen. Das vergeudete Zinn kann ja wieder eingeschmolzen werden.
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Offline Mc Namara

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Re:Zinnfiguren selber gießen - nur welche Legierung?
« Antwort #11 am: 21. Juni 2016, 12:32:43 »
Ich habe vor Jahren auch mit Zinngießen experimentiert.

Als Formen hatte ich die Nürnberger Gießformen, mit Silikon habe ich fast keinen Plan.
Doch das Zinn selbst war mir einfach zu teuer.
Ich habe hauptsächlich Auswuchtblei genommen... einzig man hat etwas mehr Arbeit damit.

Wenn man zur Werkstatt seines Vertrauens geht bekommt man das alte Blei in der Regel für Lau.

Was auch möglich wäre, ist Walzblei. Dies hat jedoch einen geringen Zinngehalt, der nur als Korrosionsschutz dient.
Dementsprechen weich sind dann die Figuren und ist halt eher Blei- als Zinngießen.
Das alte Walzblei bekommt man entweder vom Dachdecker, auch für Lau wenn man ihn kennt, oder beim Schrotthandel, dort wird dann jedoch nach Gewicht berechnet.

Mit meinem Vater war ich schon seit Jahren am Vorderladerschießen, dort haben wir uns die Kugeln sowohl aus Auswuchtblei als auch aus Walzblei gegossen. Ich habe es dann auch beim Figurengießen benutzt.

Als Tiegel eignet sich ein dickwandiges Eisengußtöpfchen mit Bunsenbrenner und Schöpfkelle. Wenn man "in Serie" arbeiten will, rate ich zu einem elektrisch beheiztem Tiegel. Diese haben in der Regel, unten einen Gießhahn.

Wenn man die Blei/Zinnlegierung im Tiegel schmilzt, gibt man etwas Kerzenreste mit dazu. Dadurch setzen sich Schlacke und, wenn vorhanden, Eisenklammern oben besser ab.
Die Schlacke wird abgeschöpft und man kann mit dem Gießen beginnen.

Als Trennmittel in der Form hatte ich zunächst auch Talkumpuder benutzt. Doch so gut ich die Form ausgeklopft hatte, es gab immer  eine "Orangenhaut" auf den Figuren.
Als besser geeignet hat sich Kerzenruß herausgestellt. Man hält eben die Form über eine Kerzenflamme und rußt jeden Winkel ein. Die Figuren kamen dann viel sauberer raus.
Bei Silikonformen sollte das auch funktionieren.

Das Aufwärmen der Form habe ich auch immer durch mehrmaliges Ausgießen gemacht.

Wenn die Figuren blank blieben habe ich sie, wegen des Bleis, mit Zaponlack behandelt.

Übrigens... wenn man besagte Nürnberger Gießformen benutzt, haben diese so praktische, gelbe Kunststoffgriffe dran.
Aus eigener Erfahrung, immer eine Zange griffbereit halten. Mit der Zeit lösen diese sich und immer dann wenn man´s nicht gebrauchen kann.

Hoffe ich konnte hiermit etwas helfen.

Offline Kleinalrik

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Re:Zinnfiguren selber gießen - nur welche Legierung?
« Antwort #12 am: 21. Juni 2016, 13:23:18 »
Dann will ich auch nochmal etwas Senf zugeben:

Als billigen Ersatz für Talkumpuder kam ich auch mit Zigarettenasche gut hin.

Als Heizquelle kam ich mit einem Fondue-Spiritusbrenner dauerhaft auch bei größerem Output (~10 Figuren) zurecht.

Als Temperaturindikator habe ich einen Zahnstocher genommen. Wenn der verkohlte, war das Zinn heiß genug. Damit konnte man dann auch unmittelbar vor dem Guss die Schlacke beiseiteschieben.

Eine gut greifbare Kelle ist hilfreich bei der Arbeit. Ich hatte anfangs ein Teelichtschälchen aus Alu, das ich mit einer Zange festhielt. Unpraktisch, anstrengend, gefährlich.

Auch ich hielt immer eine Spitzzange griffbereit. Es kommen immer so kleine Notfallsituationen, wo man glühendheiße Teile schnell anfassen und an einen sichereren Ort bringen muss. Außerdem habe ich mich so hingesetzt, dass ich mich im Ernstfall schnell nach hinten wegstoßen konnte.

Die Brettchen, zwischen denen ich die Formenhälften einzwängte, hatte ich anfangs mit Gummibändern unter Spannung gehalten. Als mal flüssiges Zinn rausschwappte und das Gummiband durchschmorte erfuhr ich schmerzlich, dass das keine gute IDee war. Metallklammern sind da sicherer.
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